Stellungnahme der GABL zum Haushalt2003

F.Schlicher

Der Haushalt 2003 tanzt nicht aus der Reihe. Ich meine aus der langen Reihe von Rutesheimer Haushalten. Der Einband hat zwar ein neues Aussehen, inhaltlich aber gibt es keine Kehrtwende in der bekannten Rutesheimer Haushaltsführung. Die Worte, mit denen Bürgermeister Hofmann im Dezember den Haushaltsentwurf vorstellte, klangen wohlvertraut. Es fehle nicht das Lamento über die schlechte gesamtwirtschaftliche Lage und auch nicht das Anprangern derer, die den Kommunen immer neue Aufgaben aufbürden. Die Liste der ständig steigenden Umlagenwurde uns wie jedes Jahr wieder drastisch in Erinnerung gerufen.

Aber dann ging es wie gewohnt zur Sache. Der Zuhörer kann nur noch staunen was trotzdem an Investitionen aus dem Hut gezaubert wird : ein modernisiertes Feuerwehrhaus (1.2Mio €), eine neue Aussegnungshalle in Perouse (250.000 €). Die Nordumfahrung wird auch noch vorfinanziert. Scheinbar mühelos werden die kommunalen Pflichtübungen gemeistert. (Markisen erneuern in der Realschule 120.000 €- kein Problem. Gestiegene Personalkosten von 4.3Mio € ? Der umstrittene Tarifabschluß 2003? – alles im Plan.). Die Großprojekte der vergangenen Jahre sind fast alle gezahlt. Erneuerte Kläranlage, erweitertes Gymnasium, Zehntscheuerund altes Rathaus, Ortskernsanierung Rutesheim II usw. beschäftigen uns bald nur noch wegen der laufenden Betriebskosten. Ganz nebenbei fallen noch ein paar Wohltaten ab: ein Bürgerfest, Ganztagesbetreuung wird angeboten, regenerative Energien und Musiktreibende werden gefördert und obendrauf als Sahnehäubchen noch einen Kunstrasenplatz für 340.000 €.

Dann das vertraute Schlußwort: wir schaffen das alles ohne Kredite. Wie ? Ein paar Grundstückkserlöse, ein paar Förderzuschüsse und eine gute Portion haushälterisches Geschick werden es- mal salopp ausgedrückt- schon richten.

Und doch sind diesmal ein paar Dinge anders: zunächst einmal die Tatsache, dass der Haushalt bereits vor seiner Einbringung in einer Klausurtagung vom Gemeinderat vorberaten wurde. Da kann es nicht verwundern, dass alle Fraktionen hinter diesem Haushalt stehen. Die Vorgehensweise ist gut und sollte so beibehalten werden.

Aber da ist noch etwas anders als sonst: diesmal stehen die Vorzeichen tatsächlich schlecht für die Zukunft. Das Lamentieren ist berechtigt. Es gibt ein paar Zeichen an der Wand, die sich unschwer deuten lassen: Wenn die Kenngröße Zuführungsrate 2003 kein Rekordtief erreicht, liegt das nur daran, dass im angedachten Gewerbegebiet Gebersheimer Weg kein Geld (Größenordnung 3Mio €) für Grunderwerb benötigt wird. Der Verband Region Stuttgart sieht ein Mißverhältnis in der Flächenbilanz. Es gibt zu viele Gewerbeflächen, auch wenn diese unbebaut sind und nicht der Gemeinde gehören. Zum ersten Mal zeichnet sich ein Ende der Rutesheimer Entwicklungsmöglichkeiten am Horizont ab. Tatsächlich ist unsere Markung nicht unendlich groß, und die bereits konkret geplanten Straßen, Häuser und Gewerbeflächen reduzieren gleich hektarweise die verbliebenen Grünflächen. Das kann und darf so nicht endlos weitergehen.

Noch ein Menetekel: Im nächsten Jahr könnte es gar eine negative Zuführungsrate geben. Auch heuer wird schon an der Rücklage geknabbert, aber dermaßen an die Substanz mussten wir noch nie. Einnahmen aus Grundstücksverkäufen an private Häuslesbauer und Gewerbetreibende scheinen das einzig Beständige in finsterer Zeit zu sein. Aber allzuviel Optimismus wäre fehl am Platz. Rutesheim ist keine Insel der Glückseligen, die schlechte wirtschaftliche Gesamtsituation kann sich auch bei uns bemerkbar machen. Auch wollen wir doch nicht den Weg der Tugend verlassen und das „Tafelsilber verramschen“. Grundstücke der Gemeinde sollen weiterhin bevorzugt an Rutesheimer Familien mit Kindern verkauft werden, und die Grundstückspreise sollen sich an deren Möglichkeiten orientieren und nicht an dem, was nur einige Wenige zahlen können. Neue Gewerbebetriebe müssen auf der verbrauchten Fläche eine adäquate Anzahl von Arbeitsplätzen schaffen. Denn, wie schon gesagt, wir sind nicht unendlich reich an Flächen. Die geplanten Einkaufsmärkte, die weit mehr Parkplätze als Angestellte haben werden, dürfen nur die Ausnahme von der Regel bleiben. Letztlich müssen wir ohnehin abwarten ob überhaupt Gewerbebetriebe für eine Ansiedlung hier gewonnen werden können. Ganz bestimmt wird die wichtigste autarke Einnahmequelle der Gemeinde, die Gewerbesteuer, in absehbarer Zeit deutlich weniger ergiebig sprudeln als in den vergangenen Jahren. Was aber nicht nur mit der schlechten Konjunktur, sondern auch sehr viel mit Firmenpolitik zu tun hat.

Wir haben in den kommenden Jahren bis 2006 noch einiges vor: Ortskernsanierung in Rutesheim weitertreiben, Baugebiet SchelmenäckerIV vervollständigen und dazu ein Spielplatz als Ersatz für den nicht realisierten Spielplatz im Gebiet Zomerngarten. Dann noch einige Pflichtübungen im Bereich Hochwasserschutz: Beteiligung am Regenrückhaltebecken Eisengriff, Vorflutkanal zum Strudelbach. Das sind neben der Nordumfahrung die wesentlichsten Punkte.

Man merkt deutlich: es wird weniger, vor allem weniger spektakulär. Die Anspüche werden zurückgeschraubt. Unser Kämmerer geht sogar soweit zu sagen, dass weitere Vorhaben gar nicht finanzierbar wären. Herr Bürgermeister Hofmann sagt es etwas netter, er zitiert Bonhoeffers Worte: erfülltes Leben gibt es auch mit unerfüllten Wünschen.

Die Frage drängt sich auf: Verschießen wir mit dem Haushalt 2003 unser Pulver, anstatt für die unsichere Zukunft Vorsorge zu treffen? In der Tat könnte im vorliegenden Haushalt vieles gespart oder verschoben werden. So gesehen wäre eine Zustimmung eigentlich problematisch. Aber anders als die unglücklichen Schützen beim besagten Hornberger Schießen haben wir noch ein ganzes Pulverfass im Keller. Die Sonderrücklage aus dem Verkauf der EnBW-Aktien dient uns als Netz für den anstehenden Balanceakt. Die Rücklage sollte eigentlich nicht angetastet werden, wir wollten nur von den Zinsen profitieren. Das ist richtig, und soll meines Erachtens auch so bleiben. Das trotzdem entnommene Geld für die Vorfinanzierung der Nordumfahrung wird- dafür werde ich eintreten- vollständig wieder zurückkommen. Die entgangenen Zinsen sind freilich verloren. Dass der Sündenfall ausgerechnet für den Straßenbau stattfindet, schmerzt mich. Andererseits hat die Nordumfahrung, egal wie man dazu steht, eine immense Bedeutung für die weitere Entwicklung von Rutesheim. Da macht es keinen Sinn auf dem Geld zu hocken und dafür lange Jahre des unschlüssigen Wartens auf sich zu nehmen.

Hervorheben will ich eine dritte Besonderheit dieses Haushaltes. Dabei geht es finanziell eher um Kleinigkeiten. Es ist zwischen den vielen Zahlen ein frischer Wind zu spüren. Bisher galt strikte Regel: Wohltaten sozialer Natur nur sparsam und bedarfsorientiert! Daran ist auch im Grunde nichts auszusetzen, aber es ist bestimmt eine Sache des rechten Augenmaßes. In der Vergangenheit wurden durch strenge Auslegung dieser Regel nicht nur eigennützige Bedürftigkeiten sondern auch einiges an guten Ansätzen und Anregungen schlichtweg unterdrückt. Mit neuer Offenheit werden nun diese dunklen Ecken der Sparsamkeit ausgeleuchtet. Die Verwaltung geht in die Offensive: Bürgerfest, Förderung der Musiktreibenden, Radwegekonzept, Ganztagesbetreuung, Förderung regenerativer Energien. Schlag auf Schlag wird das kommunale Rutesheimer Wörterbuch um schöne Vokabeln bereichert. Solche Offensiven mag man gerne mittragen – im Gegensatz zu anderen, die mehr militärischer Natur sind.

Bürgerbeteiligung, Ökologie und soziale Gerechtigkeit sind schließlich die Säulen, auf die unsere Zukunft aufbaut. Ich weiß den begonnen Weg zu sehr würdigen, denn ich erkenne meine eigenen Ideale darin.

Rutesheim kommt, so denke ich, langsam aus einer Phase des stetigen Wachstums und tritt ein in eine Phase der Ausgestaltung des Geschaffenen. Darin gewinnt das konstruktive Miteinander der Menschen, ihr Engagement für das Gemeinwesen und auch die Bewahrung der natürlichen Umwelt einen noch höheren Stellenwert als es bisher schon der Fall war. Neue Prioritäten können jedoch nur Wirklichkeit werden, wenn der finanzielle Rahmen den Spielraum dafür schafft. Der vorliegende Haushaltsentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Lebensmittelmärkte



Viele kennen das Problem aus der Erziehung der eigenen Kinder. Man möchte ihnen den Konsum bestimmter Dinge oder Fernsehsendungen gern untersagen, aber leider ist genau dies scheinbar allen anderen im gleichen Alter gestattet. Da gibt es nur zwei Lösungen, entweder vebieten es alle – das ist eher unrealistisch, oder man muß früher oder später, unter Wahrung des Gesichtes, diese erzieherische Bastion räumen. So etwa in diesem Spannungsfeld befinden wir uns gegenüber dem VRS, wobei sich hoffentlich irgendwann ein Einvernehmen einstellen wird, denn anders als in der familiären Situation obliegt dem VRS keine Erziehungsfunktion und eine Kommune ist kein unmündiges Kind.

Bei aller gezeigten Einigkeit über die Region, muß ich mich allerdings doch „outen“: mir war deren Hartnäckigkeit, zumindest bisher, nicht ganz unrecht.

Seit der ersten Minute der Rutesheimer Lebensmittel-Markt-Diskussion habe ich mich gegen eine Ansammlung von Discounter und Lebensmittelmarkt im Ensemble mit dem gerade frisch erweiterten Baumarkt ausgesprochen. Dir Region nennt das Agglomeration, ich möchte es eher als eine Art neue Rutesheimer Ortsmitte bezeichnen – zum Nachteil des eigentlichen Ortskerns. Sogar die viel zitierte GMA-Studie hat dies bekräftigt: 1/3 Umsatzrückgang in der bestehenden Ortsmitte, wenn die Märkte so gekommen wären. Auch kann und darf nicht verschwiegen werden, dass selbstverständlich von den umliegenden Ortschaften Kundschaft angezogen würde. Auch wenn immer so getan wird, als ob nur die Rutesheimer Grundversorgung das Anliegen wäre. Die Gebersheimer haben zu recht um ihren zentral gelegenen Einkaufsmarkt gebangt.

Nach langem Ringen ist ein tragbarer Kompromiß entstanden. Beim Baumarkt ein ALDI – und fast am gleichen Standort wie der mittlerweile geschlossene Penny möchten wir einen EDEKA-Markt, der nicht ganz die hohe Grundfläche eines REWE Marktes haben würde. Der Standort ist für viele Rutesheimer ein gewohnter Weg (auch zu Fuß) , deutlich näher an der eigentlichen Ortsmitte (500m von diesem Sitzungssaal) und gut erreichbar mit dem Bus, so dass auch Menschen ohne eigenes Auto aus allen Ortsteilen hier einkaufen könnten. Nur unter dieser letztgenannten Vorraussetzung darf das Wort Grundversorgung überhaupt in diesem Zusammenhang in den Mund genommen werden!

Ich sage klar, dass ich einen Lebensmittelmarkt in der Ortsmitte als Ideallösung gesehen hätte – und ich bedauere sehr, dass im Grunde nur die Parkplatz- und Verkehrsproblematik dies unmöglich macht. Daher ist der vorliegende Beschlußantrag ein Kompromiß, über den ich nicht in Jubel ausbreche, den ich aber mit tragen werde und von dem ich hoffe, das auch die Region Stuttgart sich damit abfinden kann.
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